Andreas Lindenstruth

Hoch über den Dächern von Frankfurt, in einem der Glasriesen, treffe ich Andreas. Es ist Freitag, ich bin etwas zu spät dran und erscheine mittelmässig aufgelöst in den Büroräumen. Er kommt um die Ecke, 2m gross, ruhig und mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Und da verfliegt sie, meine Aufregung. Ich freue mich Andreas wieder zu sehen und werde sofort zurückversetzt in die Zeit, als ich für ihn gearbeitet habe. Wir tauschen uns aus, hören wie es dem anderen geht und – ohne es zu merken – sind wir eigentlich schon mittendrin im Funkensprüher-Gespräch. Wir beschliessen das Interview bei einem Spaziergang im Grüngürtel von Frankfurt zu führen.

Die Funken-Geschichte der Nominierenden

Bei Andreas bin ich selbst die Nominierende und das ist der Grund für die Nominierung:

«Über 10 Jahre ist es her, seit ich als Trainee bei Andreas anfing. Ich kam zu der Zeit frisch aus einem kleinen, vom Gründer patriarchalisch geführten Unternehmen. Dem Chef den Kaffee zu kochen, nachts zur Firma zu fahren, Hochs und Tiefs der Launen abzufangen und nie wirklich etwas recht machen zu können, das war für mich der Normalzustand. Ich habe damals angenommen, dass Chefs vielleicht so sind. Ich fing also bei meinem neuen Arbeitgeber an – einerseits mit dem Drang es mir (und der Welt) zu beweisen und andererseits mit einem Anteil, der leise gezweifelt hat, ob ich denn wirklich etwas kann. Und dann kam Andreas und drehte mein Weltbild davon, wie ein „Chef“ so ist, auf den Kopf. Von Tag eins an war sein Verhalten geprägt von kleinen und grossen Zeichen der Wertschätzung und des Vertrauens. Keine Spur von Status, Hierarchie, Druck, Kontrolle oder gar Abwertung. Andreas gab mir die Chance und den Raum zum Wachsen. Sein Vertrauen in mich und seine Wertschätzung haben mir den Weg geebnet, so dass ich selbst Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten entwickeln konnte. Und wenn ich drohte zu überdrehen und mir zu viel zuzumuten, dann hat er mir das zurückgemeldet und seiner Sorge Ausdruck verliehen. Die Entscheidung beliess er allerdings bei mir. Damit erhöhte er meine Wahlfreiheit und ich fühlte mich ermächtigt statt entmündigt. Ich bin noch heute sehr dankbar dafür, wie mir er durch sein Funkensprühen auf meinen Weg geholfen hat.»

Jennifer Konkol

Das Interview

Jetzt war ich natürlich besonders gespannt zu erfahren, was es aus seiner Sicht dafür braucht so eine Funkensprüher-Führungskraft zu sein. Und das ist es, was ich an diesem Nachmittag von Andreas mitgenommen habe:

Hast Du selbst eine Idee davon, wie Du das machst, dass Mitarbeitende in Deinem Umfeld sich so entfalten und wachsen können?

Es ist meine Lebenseinstellung. Ich versuche mich oft in die andere Person hineinzuversetzen und frage mich: «Welche Möglichkeiten hat die andere Person und welche eben auch nicht? Was braucht die andere Person und was würde ich mir wünschen, wenn ich in den Schuhen der anderen Person stecken würde?» So mache ich das bei Mitarbeitenden, Kollegen, Kunden – beruflich und auch im Privaten. Danach entscheide ich wie ich das Gespräch führe, was ich für ein Verhalten an den Tag lege und auch wie ich mit Menschen allgemein umgehe. Für mich geht es um Respekt, den ich für mich selbst einfordere und den trage ich möglichst in der gleichen Art und Weise den Menschen in meiner Umgebung entgegen.

Ansonsten versuche ich auf die kleinen Dinge zu achten: Ein Lächeln im Gesicht. Weil ich dann weiss: Wir können das schaffen! Und ich finde es wichtig, dass ein Mindestmass an Spass immer mit dabei ist und man zwischendurch auch mal einen Scherz machen kann. Das ist dann auch spürbar, die gute Stimmung im Team. So können wir uns gegenseitig tragen.

Auch Wertschätzung ist in vielerlei Hinsicht sehr, sehr förderlich – für andere, um sich zu entwickeln und um anzukommen. Es ist aber auch für mich selbst sehr förderlich. Das, was ich tue kostet unglaublich viel Energie und ich ziehe einen Teil meiner Energie aus guter Stimmung, aus dem einen oder anderen Erfolg, aber aus einem einzelnen netten Gespräch bei einem Kaffee in der Sitzecke. Davon kann ich unheimlich lange zehren. Das gibt mir viel zurück.

Spielen bestimmte Werte eine Rolle bei der Art, wie Du führst?

Natürlich spielen Werte eine Rolle. Mitarbeitenden sage ich, sie sollen die oft verbreitete Vorstellung «Chef will, Du musst» ablegen. Bei uns im Team kann man Dinge selbst entscheiden, eine eigene Meinung haben, Widerworte oder konstruktive Kritik äussern. Das ist doch bereichernd: Dinge mal von einer anderen Seite beleuchten zu können und andere Sichtweisen erfahren zu dürfen, die man dann auch erleben kann. Das ist sehr wertvoll. Ich habe früher immer Mannschaftssport betrieben, da gewinnt man nur als «WIR». Das habe ich mir mitgenommen. Im beruflichen ist das nicht anders. Da wirst Du auch nur Erfolge erzielen, wenn man Hand in Hand im Team zusammenarbeitet. Insgesamt geht es besonders um Vertrauen, um Authentizität, um Kreativität, um Ehrlichkeit und um Sicherheit, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Wenn eine neue Mitarbeiterin oder ein neuer Mitarbeiter in Dein Team kommt, was machst Du, um die Beziehung aufzubauen?

Von Tag eins habe ich ein Grundvertrauen in jeden Mitarbeitenden. Ich möchte ja auch, dass der Mitarbeitende schnell ankommt im Job, im Team, bei Kollegen, in den Projekten. Und das wird ermöglicht, indem man Hilfestellungen gibt und dafür sorgt, dass der Mitarbeitende einen freundlichen Einstieg hat. Es geht darum, die Erwartungshaltung nicht übertrieben hoch zu setzen. Ich versuche viele freundliche Begegnungen vom ersten Tag an zu schaffen.

Ich suche auch meine Mitarbeitenden nicht nach Zeugnisnoten aus. Für mich spielen dabei Herz, Emotionen und der Nasenfaktor eine wichtige Rolle. Können wir miteinander arbeiten? Wird er mit mir, ich mit ihm oder er im Team funktionieren. Diese Beziehung hebe ich auf den Prüfstand und frage mich: Traue ich ihm das zu? Traue ich mir das zu? Habe ich eine Grundüberzeugung, dass es funktionieren kann? Und wenn ich diese Fragen mit ja beantworten kann, dann ist das die Voraussetzung, um eine gute Arbeitsbeziehung aufzubauen.

Gibt es Situationen oder Menschen, bei denen Dir das Funkensprühen nicht so gut gelingt?

Ich versuche es immer – ob privat oder beruflich, ob Kunde, Kollege oder Freunde. Es steht und fällt mit meiner Bereitschaft in den Dialog zu treten, meiner Leidenschaft und meiner Tagesform. Und das gleiche gilt für die andere Seite. Es kann auch passieren, dass ich in einem Gespräch sitze und mich frage «Warum bin ich eigentlich hier? Wie komme ich denn aus dieser Situation wieder raus?».

Und wenn Du mal nicht so reagiert hast, wie Du es gerne würdest?

Man sollte so viel Selbstachtung und Rückgrat haben sich beim Gegenüber zu entschuldigen. Ich spüre das nicht immer, wenn ich mal gestresst war. Oder vielleicht merke ich es auch in dem Moment, aber reagiere dann nicht immer auf die Signale von Mitarbeitenden. Wenn z.B. die Augenbrauen etwas höher gehen, das Durchatmen tiefer ist, dann gehe ich hin – manchmal auch erst eine Woche später – und sage: «Du, die Diskussion, die wir da hatten ist irgendwie ganz blöd gelaufen und sicherlich habe ich da auch meinen Beitrag zu geleistet. So bin ich eigentlich nicht und das möchte ich nicht, aber es ist trotzdem passiert.» Und manchmal sagen mir dann auch Mitarbeitende «Du Andreas, was war denn da? Ich erinnere mich gar nicht.» Ich trage mir das manchmal länger nach, als die Mitarbeitenden es mir nachtragen.

Ich habe früher auch immer gedacht: «Das Handy muss an und dabei sein, ohne mich geht es nicht.» Und dann stehe ich morgens auf und merke «Mensch, die Welt hat sich auch ohne mich weitergedreht. Morgens geht noch die Sonne auf, der Kaffee läuft trotzdem aus der Maschine. Wo ist Dein Problem?» Und vollkommen überrascht stellt man dann fest, es geht ja doch. Das Business läuft weiter, Mitarbeitende können ihren Job erledigen. Und dafür habe ich ein bisschen gebraucht, das zu lernen.

Wie gehst Du damit um, wenn anderen Fehler passieren?

Fehler passieren. Wir alle sind Menschen, im Grossen und im Kleinen. Und für den richtigen Umgang mit Fehlern brauche wir eine gute Kultur. Versäumnisse, Missverständnisse, kleine und größere Fehler – das passiert jeden Tag. Um uns herum passieren so viele schlechte, schlimme Dinge und dann regen wir uns auf wegen Belanglosigkeiten und augenscheinlich schlimmen Dingen. Muss ich deswegen jemandem den Kopf abreissen? Ich denke draufhauen bringt nichts. Dadurch ist doch auch nicht sichergestellt, dass es beim nächsten Mal nicht passiert. Es geht darum Verständnis und Unterstützung anzubieten. Ich versuche einen vertrauensvollen Umfang mit Fehlern zu ermöglichen. Man sollte respektvoll gemeinschaftlich schauen, was passiert ist, um auch Fehler gerne beim zweiten oder dritten Mal nicht mehr zu machen. Als Führungskraft sollte man sich immer wieder den Spiegel vorhalten: Es kann einem auch selbst passieren. Und dann versetze ich mich in mein Gegenüber hinein und frage mich, was würde ich mir jetzt wünschen, wenn mir das passiert wäre? Vor allem bleibe ich gelassen und ruhig. Mir sagen andere, dass ich ein Ruhepol darstelle. Das freut und ehrt mich in dieser recht hektischen Zeit.

Was musst Du für Dich tun, um in der Ruhe bleiben und Funken sprühen zu können?

Ich glaube ein bisschen mehr auf mich selbst achten. Es gibt Phasen und Momente, da kann ich das sehr gut und es gibt Momente da scheitere ich grandios. Ich verfahre in stressigen Situationen manchmal auch sehr plump mit der Strategie „Augen zu und durch“. Irgendwann ist diese Phase ja vorbei. Wann immer ich es kann versuche ich, es anders zu lösen und mehr Prioritäten zu setzen. Was ist wirklich wichtig? Und dann merke ich: ich tanke auf, wenn ich mit Menschen zusammen bin, Gespräche führe, etwas mit ihnen erlebe. Die Familie ist mein Ruhepol und meine Energiequelle. Und es hilft mir einfach mal raus zu gehen – alleine oder mit meiner Frau und dann den Hunden dabei zuzusehen, wie sie Spass haben.

Was würdest Du anderen Führungskräften empfehlen?

Vertrauen haben. Wenige Vorbehalte haben, mehr loslassen. Offen sein für andere Dinge, Sichtweisen und andere Menschen. Du wirst nur Freundschaft und Respekt bekommen, wenn Du anderen gegenüber entsprechend auftrittst. Haltet Euch den Spiegel vor. Stellt Euch immer die Frage: Wie möchtet ihr selbst behandelt werden. Man darf nie erwarten, dass man anders behandelt wird, als man es selbst macht.

Es gab eine Situation in unserer Zusammenarbeit, die mich besonders berührt hat. Das Gespräch, in dem ich Dir ziemlich aufgelöst eröffnet habe, dass ich kündigen möchte. Ich war in der Bredouille, dass ich die schon kurze Kündigungsfrist von vier Wochen auf zwei reduzieren wollte. Und Du hast gesagt: «Schaffst Du es bis dahin alles gut zu übergeben? Dann vergiss die Kündigungsfrist, machen wir einen Aufhebungsvertrag.» Da ging es ja nicht mehr um das Team oder um den beruflichen Erfolg. Das war über das berufliche hinaus und hat lediglich mir persönlich geholfen. Was ist es, was Dich da bewegt hat?

Das war schon extrem schwierig für mich. Gefühlt hat es mich da innerlich auch zerrissen, denn das war ein sehr schmerzhafter Verlust, der damit anfing. Aber auch in diesem Ende steckte ja dann auch wieder was Neues. Es ging darum, Dir den Rücken zu stärken, dass die Entscheidung, die Du getroffen hast, die richtige ist. Du warst jung und solltest Deinen Weg gehen. Wie das weitergegangen ist, war ja dann auch alles gut aber an diesen Nachmittag erinnere ich mich heute noch zurück – und an das Päckchen Taschentücher, welches Du verbraucht hast.

Tja…Ich schätze einfach den Menschen an sich. Ganz viele Mitarbeitende sind mir unglaublich ans Herz gewachsen. Und Freundschaften im Beruf sind mir sicherlich genauso wichtig, wie die eine oder andere private Freundschaft. Beruflich ist man ja oft geneigt nicht wirklich tiefe Freundschaften zu schliessen. Mir ist das persönlich sehr wichtig. Ich möchte eine gewisse Freundschaft haben, die möglichst eine tiefe, ehrliche und verbundene Freundschaft sein darf, wenn das von beiden Seiten gewünscht ist. Ich empfinde das mit vielen Menschen als unglaublich bereichernd. Auch wenn man seit 10 Jahren nicht mehr zusammenarbeitet, würde ich diese Menschen heute noch als Freunde bezeichnen und nicht nur als Bekannte. Das muss aber beiderseits erarbeitet werden. Ich kann da nur meinen Teil dazu beitragen. Das versuche ich einfach mit den vielen Dingen zu beleben und zu ermöglichen. Und ich hoffe natürlich, dass es der andere genauso macht.

Vielen Dank Andreas, für das berührende Gespräch!

3 Minuten Video

Damit ihr einen kleinen Eindruck von Andreas bekommt, seht ihr nachfolgend ein 3 min-Video mit einem Ausschnitt aus dem Interview zu den beiden Fragen:

  • Was glaubst du ist wichtig, um Funkensprüher für Deine Mitarbeitenden zu sein?
  • Was kann ich heute tun, wenn ich anfangen möchte ein bisschen mehr Funken zu sprühen?

Da die Audio-Aufnahmen während des Spaziergangs entstanden sind, ist die Tonqualität nicht optimal. Wir fanden die Antworten allerdings so schön, dass wir sie euch nicht vorenthalten möchten.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Mehr zur Person Andreas Lindenstruth?

I AM HUMAN…. Und das in einer so von Finanzzahlen und Technikaspekten getriebenen Immobilienbranche. Meine Basis: Verheiratet mit der Familie, verliebt in den Job und befreundet mit ganz vielen Menschen aus meinem beruflichen Umfeld.Viele Beziehungen, bei denen es sich lohnt sie zu gewinnen und zu halten – jeden Tag auf`s neue… seit vielen Jahren…

Funken-Aktivitäten

Folgende Funken-Aktivitäten habe ich im Gespräch mit Andreas herausgehört:

Auf die kleinen Dinge achten

Ich versuche auf die kleinen Dinge zu achten:

  • Ein Lächeln im Gesicht
  • Kleine Gesten der Herzlichkeit und Wertschätzung
  • Zwischendurch einen Scherz machen
  • Darauf achten, dass ein Mindestmass an Spass immer mit dabei ist – für mich und für die anderen

Inspiriert aus dem Interview mit  Andreas Lindenstruth.

In die Schuhe des anderen schlüpfen

Ich versuche mich in die andere Person hinein zu versetzen und frage mich:

  • Welche Möglichkeiten hat die andere Person und welche eben auch nicht?
  • Was braucht die andere Person?
  • Was würde ich mir wünschen, wenn ich in den Schuhen der anderen Person stecken würde?

Danach entscheide ich wie ich das Gespräch führe, was ich für ein Verhalten an den Tag lege und auch, wie ich mit Menschen allgemein umgehe.

Inspiriert aus dem Interview mit  Andreas Lindenstruth.

Portrait Andreas Lindenstruth