Dieter Boch

Unser Funkensprüher im Mai 2020 ist Dieter Boch. Dieter erzählt in unserem Interview über Entfaltung, das Raumgeben im persönlichen Miteinander und den eigenen Weg. Er ist davon überzeugt, dass wir fernab von gelernten oder gesellschaftlichen Rahmen WIR sind – und damit genau richtig. Und so lebt Dieter seine Wahrheit: unterstützend, wertschätzend, auf Augenhöhe. Viel Spass mit dem Interview.

Die Funken-Geschichte der Nominierenden

Ich kenne Dieter schon ziemlich lange und er war für mich immer eine Art Mentor, sowohl fachlich als später auch persönlich. Er hat mir den nötigen Raum geboten, von Anfang an. Als Mentor hat er mich nie belehrt, gelehrt oder mir etwas beigebracht. Er hat alles genau so genommen, was es von mir gab, und hat mir dafür Raum und die Bühne geboten. Mit einer unglaublich stärkenorientierten Haltung, wertschätzend, grosszügig und auf Augenhöhe.

Dadurch hat er mich grösser gemacht als ich mich gefühlt habe. Er hat etwas in mir gesehen, zu dem ich selbst (noch) keinen Zugang hatte. Und das hat mich bestärkt, Dinge zu tun, die ich mir zu dem Zeitpunkt gar nicht zugetraut hätte, und das völlig frei, auf meine Weise.

Jennifer Konkol

Er hat es immer geschafft, mich stärker IN MIR zu machen.

Das Interview

Dieter, Jennifer sagt über dich folgendes: Du hast mir immer das Gefühl gegeben, ich kann mehr als ich selbst glaube. Hier ist der Raum, und das machst du schon. Auf Augenhöhe, voller Vertrauen. Und das hat mir total gutgetan. Es hat mir geholfen, an mich zu glauben, meinen Selbstwert zu erkennen. Du hast an Sachen geglaubt, von denen ich gar nicht wusste, dass sie in mir sind. Und du warst kein Mentor, der mich in eine Richtung ziehen wollte. Im Gegenteil – du hast mich so genommen, wie ich bin und mir den Raum gegeben, vollkommen ich zu sein. Du hast mich in mir bestärkt. Du hast einen Funken gesprüht, damit mein eigenes Feuer mehr brennen konnte.

Das ist eine sehr gute Zusammenfassung meiner Einstellung zum Leben und zu Menschen. Ich habe ein paar Grundüberzeugungen, und ich versuche nach diesen Massstäben auch zu handeln, auch wenn es nicht immer gelingt. Die erste ist: jeder Mensch ist fähig, sein Leben zu gestalten. Man muss ihm nicht sagen, was er tun muss – man muss ihn nur dazu ermuntern. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

Ich mache das fachlich seit vielen Jahren und habe eigentlich immer Gewinn daraus gezogen, mir junge Leute als Partner zu holen, denen ich freie Hand gebe. In der beruflichen Zusammenarbeit akzeptiere ich dann beispielsweise auch, dass ich keine Perfektion erhalte. Aber dafür etwas Neues, Junges, Erfrischendes. Das, was dann reinkommt, das bekomme ich nicht wett mit Erfahrung. Denn die Erfahrung ist nicht so viel wert wie frischer Wind. Ich war schon immer ein Freund der neuen Kompetenz. Neues Schaffen, plötzlich die Dinge anders anpacken. Dann wird es vielleicht nicht so, wie ich es mir mit meiner ganzen Erfahrung vorstelle, aber es wird anders. Und das finde ich toll. Natürlich gehe ich damit ein Risiko ein – aber ein Risiko, welches mir selbst Gewinn bringt. Wir arbeiten in einem Metier, in dem man unterschiedliche Ansätze und Meinungen haben kann. Vielleicht ist es dann eine ungewohnte Meinung, aber das ist ja nicht falsch oder schlecht.

Wie wählst du die jungen Menschen aus, mit denen du zusammenarbeitest? Ganz frei?

Nein. Auch ich habe meine Schubladen und meine Vorurteile. Ich arbeite am liebsten mit jungen Frauen zusammen. Das mag im ersten Moment komisch klingen, aber ich habe aus meiner beruflichen Erfahrung gelernt: Wenn Frauen sich engagieren, ist das Engagement viel grösser. Frauen müssen selbst heute noch mehr leisten, um vorwärts zu kommen. Das habe ich immer sowohl genutzt als auch gefördert.

Menschen sind Träger der Entwicklung, sie bringen Dinge voran und sollen ihre eigenen Ideen einbringen. Es fängt ja schon an, dass die Kinder in der Schule uniformiert oder normiert werden und die Kreativität verloren geht. Wenn mir jemand begegnet, entscheidet natürlich der erste Eindruck sehr schnell. Da schiebe ich die Leute in eine Schublade – das ist einfach so.

Bei Jenny war es beispielsweise so, dass sie nur etwas sagte, wenn sie etwas wusste und konnte. Es war also erkennbar, dass da etwas dahinter war. Das habe ich aufgegriffen. Sie war sehr ehrgeizig. Und das kann man nutzen und darauf ansprechen.

Jenny erzählte auch von eurer persönlichen Ebene. Sie sagte, selbst als du dir Sorgen um sie machtest, hast du es sehr wertschätzend geäussert. Also nicht beschützend, “kleinmachend”, indem du ihr die Verantwortung für sie abnehmen wolltest, sondern auf Augenhöhe und vollkommen offen. Das hat sie bestärkt, eine wichtige Entscheidung zu treffen und ihren eigenen Weg zu gehen. Wie machst du das?

Da spielen Aspekte der Erziehung eine Rolle. Ich muss mir Sorgen machen, ohne dass der andere merkt, dass ich mir Sorgen mache. Ich habe mir also Sorgen gemacht, aber hab sie nicht vereinnahmt.

“Ich muss loslassen, in dem Moment, in dem der andere wieder anfängt zu laufen.”

Und das ist nicht einfach, das fällt mir schwer. Aber es hilft nicht, wenn sie das Gefühl hat, er hat mich gesteuert, er hat mich beraten, er hat mir geholfen – und dank ihm habe ich das erreicht. Sie muss das Gefühl haben, sie hat die Entscheidung getroffen, sie hat es selbst erreicht. Und das ist und war in dem konkreten Fall eine schwierige Situation für mich – ich hatte meine Vorstellung von der richtigen und falschen Entscheidung, aber sie sollte nicht merken, dass ich eine Seite als falsch empfinde.

Das ist ein sehr bewusster Umgang mit der Kommunikation und den jeweiligen Rollen darin…

Es ist vor allem zum einen eine Frage der inneren Einstellung, der Werte, der Haltung gegenüber einem Menschen. Und zum anderen auch eine Frage der Beziehung zueinander. Es darf nicht zu eng werden. Wir haben uns in dem Fall beispielsweise nie in irgendwelche Abhängigkeiten begeben, sondern uns genau den Raum gelassen. Nur dann bewahre ich meine Eigenart und helfe dem Anderen in seiner Entfaltung. Das kann natürlich auch eine Schwierigkeit werden, gerade zwischen Männern und Frauen. Eine Ausgewogenheit zwischen Nähe und Distanz ist da sehr wichtig.

Du hast als ersten Punkt Werte und Haltung genannt. Welche Haltung steckt dahinter?

Das Funkensprühen ist dabei ein wirklich schönes Bild. Es handelt sich dabei allerdings um einen Funken, den Dritte nicht sehen können. Der nur in dieser Beziehung sichtbar ist, für die beiden Partner.

Ich fördere junge Menschen aber auch, weil es auch mir einen Gewinn bringt. Ich möchte, dass ein Feuer entfacht wird – aber eines, das keine Ausmasse annimmt, die ich nicht mehr unter Kontrolle habe. Ich bin da schon irgendwie Egoist – ich habe ja etwas davon. Und ich erfreue mich daran, dass das, was ich getan habe, Erfolg hatte. Es ist aus einer Art Egoismus heraus – kein Selbstaufopfern, sondern ein Geben und Nehmen. Die, die von mir gefördert werden, wissen oft gar nicht, dass sie mir etwas geben. Klar tue ich viel für sie, aber ich bekomme eben auch viel.

Braucht es aus deiner Erfahrung heraus, neben dem erwähnten Verstehen von Nähe und Distanz, bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen, um Funkensprüher sein zu können?

Sich selbst zurücknehmen. Das ist das Schwierigste. Sich selbst zurücknehmen, ohne sich selbst in den eigenen Werten und Zielen untreu zu werden oder diese zu vernachlässigen. Wenn ich etwas erreichen will, muss ich mich oft durchsetzen. Das muss ich auch hier – aber mit Ratschlägen, die nicht dominierend wirken. Mit einem direkten Zurückziehen und Pausenmachen.

Ich muss auf die Kommunikation achten: still sein können, zuhören können, Sätze auch mal abbrechen… Also sich zurücklehnen können und aufnehmen können, was vom anderen gesendet wird. Ich denke, es ist Kommunikationsfähigkeit auf allen Ebenen, vor allem mit Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit, wirklich zuzuhören.

“Das gelingt nur, wenn man selbst einen Wertekompass hat, über den man sich bewusst Klarheit verschafft.”

Wann hast du dir die Klarheit über deine Werte verschafft?

Ich habe noch die alte, klassische Arbeitswelt mitbekommen – mit Hierarchien und damit verbundener hierarchischer Karriere und und und. Das war mein Kompass für 40 Jahre. Dann kam ein möglicher Karrieresprung unter definierten Voraussetzungen, die sehr an meinen Werten gerüttelt haben. Und so bin ich mir darüber bewusst geworden.

Die anstehende Entscheidung zog wichtige Konsequenzen mit sich: Ziehe ich mit meiner Familie mehrfach um, setze ich meinen 3 Töchtern dem Ganzen aus? Ist mir das der Karriereschritt wert? Und die Antwort war: nein. Weil ich eben glaube, dass ich die jungen Leute fördern muss. Und diese Überzeugungen sind mir wichtiger als die monetären Verlockungen und was es da noch so gibt. Die Entscheidung fiel nicht einfach so, dafür hat es fast ein ¾ Jahr gebraucht. Vieles habe ich mit mir selbst ausgemacht. Aber so wurde es immer klarer: Ich möchte Menschen sich entwickeln lassen, wie bei meinen Kindern. Ihre Kreativität entfalten.

Und dann hast du den Karrieresprung abgelehnt.

Dann habe ich abgelehnt, genau. Und plötzlich kam noch etwas anderes hinzu. Nachdem ich “nein” sagte, habe ich dann auch gleich noch einen wichtigen Teil des ganzen Unternehmens in Frage gestellt. Ich hatte also plötzlich Mut zu Aussagen, die nicht populär waren. Und habe etwas Wichtiges gelernt. Ich bin nämlich nicht aus dem Unternehmen geflogen, sondern im Gegenteil: Es gab andere, die sich hinter meine Einstellung gestellt haben. Und 15 Jahre später wurde unser Ansatz zu einer wichtigen strategischen Unternehmensentscheidung herangezogen.

“Das hat mir das Bewusstsein gegeben: Menschen sind Träger der Entwicklung. Wenn wir einzelne Menschen in ihrer Persönlichkeit fördern, die dann selbstständig in ihrem Denken sind und sich nicht abhängig machen von Zwängen, die es in Organisationen und der Gesellschaft gibt, dann können wir die Welt verändern. Daran glaube ich noch heute.”

Dadurch habe ich gelernt, meine Werte zu finden. Den Menschen fördern, die Persönlichkeit fördern. Ich bin weder in eine Partei noch in eine Organisation oder ähnliches eingetreten, denn da hätte ich meine Wirkung nicht so vielfältig entfalten können, wie ich es so kann. Einzelne fördern. Und die fördern wieder andere.

Bei all den gesellschaftlichen Rahmen, die es gibt: Was hilft dir dabei, deine innere Haltung zu behalten? Was brauchst du, um Funkensprüher sein zu können?

Ich habe eine Bergführerausbildung gemacht – dann nicht darin gearbeitet, aber ich brauche die Berge. Ich fand in den Bergen immer das, was ich für meinen Ausgleich brauchte. Das Bergsteigen ist etwas, was mich ganz fordert – nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Und da habe ich auch mich selbst gefunden.

Im extremen Bergsteigen erlebt man Situationen, bei denen man nicht weiss, ob man diese überlebt. Man geht an die Grenze, man muss ein hohes Risiko eingehen, wenn man sein Ziel erreichen will. Dabei ist das Ziel selten der Gipfel – das Ziel ist die Route, die Tour. Das Ziel ist der Weg.

Dabei fällt mir auf: Bei allem was ich tue, ist immer der Weg entscheidend. Ich suche immer nach neuen, eigenen, unbegangenen Wegen – beim Bergsteigen, aber vor allem auch im Leben. Weil ich es spannend finde, Neues zu entdecken. Deswegen arbeite ich mit neuen Leuten zusammen. Neue Wege finden, neue Dinge entdecken.

Ist dir das gerade bewusster geworden?

Ja, durch unser Gespräch habe ich gerade etwas Neues über mich verstanden. Und zwar, dass das, was mich im Privaten interessiert – die Route, der Weg, nicht die Ehrennadel – auch bei meiner Karriere zutrifft. Ich bin immer meine Linie gegangen. Und wenn man seine Linie geht, dann kann man auch Erfolg haben. Nicht nur, wenn man sich anpasst.

Heisst das: Funkensprüher sein bedeutet, seinen Weg zu gehen?

Ja. Man muss so stark sein, dass man seinen Weg gehen kann. Auch gegen Widerstände. Aber auch so stark sein, sich zurück zu nehmen, wenn andere dann den Weg verlassen wollen, um ihren eigenen zu gehen.

Wenn Menschen erfolgreich sind, weil sie bei mir den Raum bekommen haben, sich zu entfalten – egal ob es meine Kinder oder berufliche Partner sind – macht mich das stolz.

3 Minuten Video

Am Ende eines jeden Interviews stellen wir unserem Funkensprüher noch einmal 2 Fragen, damit ihr einen ganz persönlichen Eindruck bekommen könnt:

  • HEUTE ANFANGEN – Was ist eine Sache die jeder heute machen könnte, um ein bisschen Funkensprüher zu sein?
  • 1 min ON AIR – Nehmen wir an, es würden jetzt alle Bildschirme, Fernseher,  Handys, Radios anspringen auf der ganzen Welt und jeder könnte Dich 1 Minute lang hören. Welche Botschaft würdest Du gerne senden?

Und hier seht ihr Dieters Antworten.

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Funken-Aktivitäten

Welche Funken-Aktivitäten haben wir von Dieter gelernt?

Mich selbst zurücknehmen

Im Gespräch mit (jungen) Menschen, die ihren Weg gehen wollen…

  • … nehme ich mich zurück, ohne mir selbst in meinen Werten und Zielen untreu zu werden oder diese zu vernachlässigen.
  • …bin ich still, höre zu, breche Sätze auch mal ab… Also ich lehne mich zurück und nehme auf, was vom anderen gesendet wird.

Inspiriert aus dem Interview mit Dieter Boch.

Freie Hand geben

In der Zusammenarbeit mit jungen Partnern…

  • …gebe ich freie Hand und akzeptiere, dass ich keine Perfektion erhalte aber etwas Neues, Junges, Erfrischendes. Dann wird es vielleicht nicht so, wie ich es mir mit meiner ganzen Erfahrung vorstelle, aber es wird anders. Und das finde ich toll.

Aus dem Interview mit Dieter Boch.

Im anderen Chancen sehen

Jeder kann Funkensprüher sein indem…

  • man an die Menschen glaubt,
  • den anderen als gleichwertig anerkennt
  • die Chancen im anderen sieht
  • und vielleicht auch Risiken eingeht, wenn man den anderen das tun lässt, was er/sie möchte und ihr/ihm Spass macht.

Aus dem Interview mit Dieter Boch.

Mehr zur Person Dieter Boch?

Er ist Diplom Psychologe und leitet das Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung GmbH in Münche. Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design. Er leitet das „Flexible Office Netzwerk“. In seinen Beratungsprojekten zur Gestaltung der Arbeitswelt setzt er sich dafür ein, dass Führungs- und Unternehmenskultur, Gesundheit und Gestaltung des Arbeitsraumes immer in ihrer Interaktion untereinander und nie isoliert betrachtet werden. Es ist ihm ein Anliegen, Menschen dabei zu unterstützen die richtige Balance zwischen Arbeit, Partnerschaft, Freizeit und Lernen zu finden – die Life-Domain-Balance.

www.iafob.de

Beteiligte Personen

  • Interviewende: Christian A. Herbst
  • Blog: Josefine Beck
  • Finish, Video & Kommunikation: Jennifer Konkol
Portrait Dieter Boch